Die Maske – ein Streitthema

Es gibt derzeit kaum ein Thema, das derart polarisiert, wie die Maske bzw. die Maskenpflicht an verschiedenen Orten und für alle möglichen Bevölkerungsgruppen. Die Maske steht wie nichts anderes für die Pandemie.

Die Diskussion darum macht mich mittlerweile aggressiv. Ich trage die Maske, aus solidarischen Gründen. Ich möchte nicht verantwortlich sein, wenn jemand sich ansteckt. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Genauso verfährt meine Familie mit vielen anderen Dingen. Wir isolieren uns weitestgehend, mein Mann ist im Homeoffice, wir gehen nur zum Einkauf unter Menschen und wir haben nur vereinzelt „sichere“ Kontakte. Ich denke: wer diese verdammte Maske tragen kann, soll das auch tun, und zwar über Mund und (!) Nase! Wenn man nur einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dass man eine andere Person nicht infiziert, dann sollte das Grund genug sein.

Für viele autistische Menschen ist die Maske jedoch sensorisch eine große Herausforderung. Für mich auch. Für mich ist das Atmen nicht das Problem, obwohl ich Asthmatikerin bin. Aber meine Sinne sind durch das Tragen der Maske stark überreizt. Ich kann mich schlechter orientieren und konzentrieren, alles am Kopf stört mich sowieso und triggert schnell eine Migräneattacke. Aber gut, es ist jetzt eben so. Ich habe mit der Maske sogar Sport im Fitnessstudio gemacht.

Mein Sohn hat aufgrund seines Autismus eine Befreiung bekommen. Allerdings haben wir im Alltag immer wieder unterschiedliche Systeme geübt, da wir finden, dass jeder im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten seinen Teil dazu beitragen sollte. Wenn es dann nicht möglich ist, dann ist das so. Aufgrund der Befreiung war er ein halbes Jahr in keinem Geschäft. Wäre das ein Thema für die Schule, würde ich ihn von der Präsenzpflicht befreien lassen. Ich möchte nicht, dass er jemanden gefährdet. Im Alltag war es hin und wieder so, dass er die Maske trotzdem tragen musste, beispielsweise bei Arztterminen. Aber wie gesagt, wir haben geübt und mittlerweile geht eine Maske. Er ist dafür mein persönlicher Held, da er mit dem Thema reifer und verantwortungsbewusster umgeht, als so manch andere Menschen. Das habe ich ihm auch so kommuniziert und er war sehr stolz auf sich.

In den FB-Gruppen haben wir das Thema fast täglich. Insbesondere autistische Kinder tun sich häufig mit der Maske schwer. Die sensorische Wahrnehmung, ein Fremdkörper im Gesicht und oft einsetzende Panik macht es einigen Kindern einfach unmöglich, die Maske zu tragen. Aber auch einige erwachsene AutistInnen schaffen es nicht. Ich finde, das muss man unbedingt akzeptieren. Das ist in solchen Fällen dann auch keine Frage des Wollens.

Ich persönlich würde dann versuchen, Dinge zu delegieren, um so nur im äußersten Notfall in die Situation zu kommen, doch eine Maske tragen zu müssen. Auch würde ich im Vorfeld abklären, inwieweit ein Attest akzeptiert würde. Das kann Betroffenen unangenehme Situationen ersparen.

Tatsächlich treffen im Falle einer Befreiung von der Maskenpflicht zwei Bedürfnisse aufeinander, und ehrlich gesagt, sehe ich keine wirkliche Lösung für diesen Zwiespalt. Die einen können behinderungsbedingt keine Maske tragen, und die anderen haben das berechtigte Bedürfnis nach Selbstschutz. Niemand möchte sich dem Risiko einer ernsthaften und möglicherweise lebensbedrohlichen Infektion aussetzen. Menschen mit Behinderungen argumentieren, dass sie diskriminiert würden, und aus dieser Sicht stimmt das auch. Aber ich kann von niemandem verlangen, dass er sich diesem Risiko aussetzt. Fast jedeR kennt jemanden, die/der RisikopatientIn ist, oder ist es sogar selbst. Ich kann von keiner Lehrkraft beispielsweise verlangen, dass sie ihr herzkrankes Kind gefährdet. Wie gesagt, da prallen zwei Dinge aufeinander, die eigentlich nicht miteinander vereinbar sind.

Mittlerweile ist es leider auch so, dass durch das egoistische und unsolidarische Verhalten der Maskenverweigerer diejenigen stigmatisiert werden, die zurecht eine Befreiung von der Maskenpflicht haben. Sie werden beschimpft, zurecht gewiesen oder sogar durch öffentliche Kampagnen pro Maske mit Maskengegnern gleich gesetzt. So gab es zuletzt eine Kampagne, bei der eine Oma mit Maske jedem Menschen ohne Maske einen Mittelfinger zeigte. Zurecht wurde das auch von MmB kritisiert. Betroffene trauen sich teilweise nicht mehr unter Menschen, aus Angst vor den Reaktionen ihrer Mitmenschen.

Die Fronten von GegnerInnen und BefürworterInnen der Maske sind verhärtet. Ich bin selbst absolut pro Maske und merke, wie sehr der öffentliche Diskurs an meinen Nerven zerrt. Das Verhalten der Maskenverweigerer empfinde ich als absolut gefährlich für unsere Bevölkerung, zumal es ja nicht dabei bleibt, die Maske nicht anzuziehen. Es wird bewusst kein Abstand gehalten, Massenveranstaltungen besucht und durch Falschmeldungen versucht, die öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen. Auch in unseren Gruppen (Selbsthilfegruppen für Eltern autistischer Kinder) gibt es nicht einen Beitrag, der wirklich zielführend verläuft. Oft geht es ja nur darum, sich Infos rund um Formalitäten einzuholen. Diese Infos beinhalten die wenigsten Kommentare. Wir haben bei unseren Gruppen den Konsens, dass wir zwar Tipps geben, aber durchaus auch Alternativen aufzeigen, weil wir finden, es sollten zumindest alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Das ist dann wiederum von einigen Eltern gar nicht erwünscht, was ich persönlich nicht nachvollziehen kann: Es war ein halbes Jahr lang absehbar, worauf es hinausläuft und es wird sich sicher auch noch verschärfen. Da versuche ich doch, alle Möglichkeiten auszuloten. Außerdem sollten Eltern das Ganze positiv begleiten. Wenn ein Kind eh schon Probleme mit dem Thema hat, wird das sicher nicht besser, indem ich selbst das Ganze nur negativ behandele. Gerade auch bei autistischen Kindern kann es durchaus helfen, das Thema auf einer rein sachlichen und wissenschaftlichen Ebene zu betrachten. Gibt es eine logische und nachvollziehbare Begründung für das Tragen der Maske, hilft das vielen.

Natürlich gibt es auch nach dem Ausprobieren verschiedener Möglichkeiten und auch trotz guten Zuredens immer noch autistische Kinder, für die das Tragen der Maske unmöglich ist. Für diese Kinder ist eine Befreiung natürlich sinnvoll. Es bringt nichts, ein Kind permanent in einen Meltdown oder in eine Panikattacke zu treiben. Das könnte gerade auch bei autistischen Kindern dazu führen, dass noch eine ausgeprägte Angststörung hinzu kommt. Ohnehin haben sehr viele AutistInnen derzeit wieder vermehrt mit Ängsten zu kämpfen. Man muss das Thema also auch durchaus sensibel angehen. Auf keinen Fall würde ich eineN AutistIn dazu zwingen, eine Maske überzuziehen, oder gar davon abhalten, sie abzusetzen. Das ist dann ein massiver Übergriff, der großen Schaden anrichten kann.

Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist, wenn Eltern ihren Kindern ein Trauma regelrecht einreden, oder andere Eltern als verantwortungslos bezeichnen, weil deren Kinder eine Maske tragen. Kinder, auch Kinder mit Behinderungen, können durchaus gesund und verantwortungsvoll mit dieser Situation umgehen. Zudem gibt die Maske auch durchaus ein Gefühl von Handlungsfähigkeit. So können sie andere schützen und bekommen auch wieder mehr das Gefühl, dass auch ihre Lieben weniger Risiken ausgesetzt sind.

Egal, ob ein Kind jetzt aufgrund einer Behinderung eine Befreiung hat, oder die Maske trotzdem tragen kann, so ist dies eine Ausnahmesituation für alle. Da sehe ich die Aufgabe der Eltern vor allem darin, ihre Kinder in dieser Zeit positiv im Einhalten von Regeln zu bestärken, sie aufzufangen und ihnen Sicherheit zu geben. Ich finde auch, man sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein, und alle Möglichkeiten ausloten, und auch seine Kinder frühzeitig auf kommende Veränderungen vorbereiten. Es bleibt uns derzeit einfach nichts anderes übrig. Nur indem wir uns, soweit wie individuell möglich, solidarisch verhalten, können wir das Kommende beeinflussen!

Und für alle als Mutmacher, den ich neulich selbst mal gebraucht habe: Denkt immer daran, dass euerer solidarisches Verhalten dazu beigetragen haben könnte, dass eine andere Person noch lebt!